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Montag, 25. Mai 2009





Arbeit macht frei!



Ich bin gerade in einer ganz miesen Stimmung – liebe Leser verzeiht mir meine Überschrift und das Bild. Ich weiß sehr wohl, dass der Satz unter anderem über den Toren der KZs in Sachsenhausen und Auschwitz stand. Es soll trotzdem in dieser Wortmeldung nicht um das Dritte Reich oder um eine rechts/links-Debatte gehen, sondern schlicht und ergreifend um Arbeit.

Wir leben in einer Zeit, in der viele Menschen ihr Glück als Selbstständige versuchen (müssen), so wie ich auch. Da die meisten kaum genug zum Leben verdienen, spricht man gern von prekär Selbstständigen. In solch einer wirtschaftlichen Lage greift unsereins gern nach jedem Strohhalm, der sich bietet. So hatte ich vor kurzem die Möglichkeit als freier Journalist für eine hiesige Tageszeitung zu arbeiten – nach langer Zeit ein echter Lichtblick, eine Chance, die ich gern ergreifen wollte. Was ich dann aber dort erleben durfte, spottete jeder Beschreibung. Ich möchte Euch die Details ersparen, auch weil zu vermuten ist, dass die betreffenden Personen dies hier lesen und dann versuchen werden, nachzutreten.

Als freier Journalist verdient man wenig Geld; die Zeilenhonorare sind weit unter dem, was Ihr euch vorstellen könnt. Zu jedem Artikel gehört Recherche, man besucht Pressegespräche, schaut sich die Sachen vor Ort an etc. Und letztendlich feilt man an den Texten noch so lange herum, bis man damit zufrieden ist. Das kostet eine Menge Zeit und ist bis auf den letzten Teil, die eigentliche Schreibarbeit, quasi umsonst. Sprich: Bezahlt wird nur der fertiggestellte Artikel, häufig genug nicht einmal die Auslagen für die Fahrt. Wie lang der Beitrag dann in der Zeitung wird, entscheidet zudem die Redaktion. Wenn grad nicht viel Platz ist, wird der einstmals auf 100 Zeilen angelegte Artikel halt nur 40 lang; ein Ausfallhonorar gibt es da nicht. Auch wenn dies die erste „richtige“ Tageszeitung war, für die ich gearbeitet habe, so gehe ich mal davon aus, dass diese Zustände kein Einzelfall sondern Normalität sind. Als freier Journalist lebt man damit mehr oder weniger gut. Was mich jedoch nach gerade mal einer Woche dazu gebracht hat, das Handtuch zu schmeißen, ist die Art und Weise, wie ich behandelt wurde.

Ich weiß, heutzutage ist jeder froh, der Arbeit hat und bemüht diese auch zu behalten, so lange es geht. Aber es gibt Grenzen. Als Selbstständiger verkaufe ich meine Arbeitskraft zu einem Preis x. Der muss hoch genug sein, damit ich davon meine Ausgaben, meinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Wenn die äußeren Bedingungen dies nicht erlauben, muss ich es eben woanders versuchen. Ich sehe nicht ein, warum ich mich bedanken soll, dafür, dass mir jemand Arbeit gibt, wenn ich dafür nicht vernünftig entlohnt und zudem wie ein ständig verfügbarer Haussklave behandelt werde. Sicher jammere ich auf hohem Niveau. Vor kurzem sah ich einen Film über Leiharbeit. Der Journalist Markus Breitscheidel hatte sich zur Recherche ein Jahr lang auf dem entsprechenden Arbeitsmarkt herumgeschlagen. Bei einem Autohersteller saß er auf Abruf in seinem Zimmer und arbeitete trotz versprochener Vollbeschäftigung am Ende nur noch wenige Stunden in der Woche. Geld bekam er selbstverständlich nur für diese Zeit, nicht fürs Rumsitzen. Am Ende konnte er nicht einmal mehr seine Pension bezahlen. Der absolute Tiefpunkt aus meiner Sicht war jedoch ein anderes Kapitel dieser traurigen Geschichte. Breitscheidel schuftete bei einem namhaften deutschen Chemiekonzern einen Monat lang, täglich acht Stunden im Dreischicht-Betrieb. Sei Monatslohn: etwas über 500 Euro! Für diese Zustände gibt es nur eine Bezeichnung: Das ist moderne Sklaverei!

Breitscheidel konnte nach einem Jahr aussteigen, musste es sogar, denn die Situation ging deutlich sichtbar über seine Kräfte. Was ist jedoch mit all denen, die die Chance dazu nicht haben? Die bleiben weiterhin Verfügungsmasse für eine menschenverachtende Industrie. Und weil viele froh sind, überhaupt etwas zu tun zu haben und darauf hoffen, dass es, wenn sie nur ihren Arbeitswillen unter Beweis stellen, irgendwann auch mal wieder aufwärts geht, wird sich daran nichts ändern.

Besonders traurig an der ganzen Sache ist, dass es quasi in allen Firmen Menschen gibt, die eigentlich mit denen mitfühlen sollten, die sich auf so schwierige Weise ihr Brot verdienen. Stattdessen treten Sie auf diejenigen, die in der Hackordnung unter ihnen stehen ein und versuchen sie gefügig zu machen. Vielleicht fühlen sie sich dadurch besser, ich weiß es nicht. Den kleinen Fahrradfahrern sei gesagt: Wenn die Entwicklung weiter so verläuft, seid ihr auch bald dabei! Erwartet dann aber von Niemandem Mitleid!

Dass es so läuft, wie es derzeit läuft, hat viel damit zu tun, dass wir uns zum großen Teil unter Wert verkaufen – und damit meine ich nicht nur die finanzielle Seite der Medaille. Wer mir nicht ein Mindestmaß an Achtung und Respekt entgegenbringt, für den mache ich den Buckel nicht krumm. Wenig Geld zu bekommen ist eine Sache, meine Selbstachtung lasse ich mir nicht nehmen.

Zum Abschluss noch eine Warnung: Wer glaubt, dass ja irgendwann das Ende der Fahnenstange kommen müsste, soll heißen, dass es nicht schlimmer werden kann, der irrt. Es geht immer noch ein Stück schlimmer, solange wir uns das gefallen lassen. Die Sklaverei als Gesellschaftsordnung hat über Jahrtausende funktioniert. Es bedurfte nur einer Schicht an Menschen, die davon profitiert hat und die Macht hatte, das System aufrecht zu erhalten. Der Rest schaut in die Röhre.

Foto: aus Wikipedia