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Freitag, 3. August 2007

Gelenkte Demokratie

Fernsehen kann ganz schön deprimierend sein. Ich meine damit nicht, dass man meist nur die Auswahl zwischen „breaking news“ über Scarlett Johanssons Nasenring und Paris Hiltons Knasterfahrungen hat. Drauf gesch…, den Mist kann man einfach abschalten. Wirklich deprimierend sind die journalistisch gut gemachten Beiträge über die debilen Dinge, die in der Welt so vor sich gehen. Eine kleine Auswahl der Themen der gestrigen Monitor-Sendung in der ARD:

Bahn unterm Hammer: Die Deutsche Bahn wird privatisiert und es ist bereits abzusehen, dass sich nur die privaten Investoren eine goldene Nase verdienen, der Steuerzahler insbesondere dem zweiten Teil seines Namens gerecht wird. Auch zukünftig soll aus öffentlichen Mitteln in die Infrastruktur investiert werden, die Rendite kassieren jedoch andere.

Giftige Gase: Der Chemiekonzern Bayer baut eine Pipeline für Kohlenmonoxid (CO) von einem Werksteil zu einem anderen. Die einwandige, nur etwas über einen Meter tief vergrabene Rohrleitung verläuft in gefährlichem Abstand zu bewohnten Gebieten. Nun ist Kohlenmonoxid nicht gerade ein „Giftgas“ aber doch ein recht giftiges Gas. Die Experten, die im Beitrag zu Wort kommen, sind übereinstimmend der Meinung, dass es bei einem Leck in der Leitung zu gesundheitlichen Problemen der Anwohner, im ungünstigsten Fall zu Todesfällen kommen kann. Die Behörden nehmen dieses Risiko in Kauf. Und als wäre das noch nicht schlimm genug, werden die Besitzer der Grundstücke durch die die Leitung führen soll auch noch enteignet. Für das Gemeinwohl. So etwas ist zwar durchaus für den Straßenbau und ähnliche Vorhaben üblich, nicht aber zur Wohle einer kommerziell arbeitenden Firma.

Tod im Atlantik: Dass immer mehr Afrikaner versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu kommen, dürfte wohl allgemein bekannt sein. Auch, dass viele dabei sterben. Was jedoch sicher wenige wissen, ist, dass wir – das Personalpronom bezieht sich auf den „Westen“, genauer auf die EU – wieder einmal direkt dafür verantwortlich sind. Die Europäische Union hat sich für wenig Geld die Fangrechte vor den Küsten verschiedener afrikanischer Länder gekauft und fischt dort mit subventionierten Riesenschiffen die Meere leer. Das Resultat: Die einheimischen Fischer fangen nichts mehr. Der wirtschaftliche Notstand, die Unmöglichkeit sich selbst zu ernähren, treibt die Menschen dann dazu, ihr Glück in Europa zu versuchen. Den afrikanischen Staaten entgehen gigantische Einnahmen, die sie erzielen könnten, wenn sie die Fische selbst auf dem europäischen Markt verkauften. Statt nun mit diesen Gewinnen ihre Schulden zu tilgen, werden sie immer abhängiger von unserer Mildtätigkeit…

Warum Stroh nicht Stroh sein darf: Man stelle sich Folgendes vor: Ein Landwirt baut Dinkel an, aus dem er verschiedene Produkte herstellt. Bei der Verarbeitung fallen Spelzen, das sind die Hüllblätter der Körner, an, die er für viel Geld entsorgen muss. Nun ist der Mann nicht auf den Kopf gefallen und überlegt sich, was er mit dem Zeug noch anfangen könnte. In Zeiten steigender Energiekosten kommt er auf die Idee einen Brennstoff daraus herzustellen, so genannte Strohpellets. Die sind – Achtung Klimadiskussion! – CO2-neutral und bringen ihm auch noch Geld ein, was wiederum Steuern für den Staat bedeutet. So weit so gut. Nun entscheidet aber die zuständige Behörde, dass die Spelzen-Abfälle kein Stroh sind und deswegen auch nicht zu Pellets gepresst und verbrannt werden dürfen. Im Beitrag werden verschiedene Fachleute gefragt und alle sind der Meinung, dass besagte Abfälle Stroh sind. Dem Behördenheini ist das egal, denn seine Juristen sagen etwas anderes…

Natürlich sind das nur einige wenige Beispiele für den alltäglichen Wahnsinn. Durch die Fernsehsendung sind sie jetzt publik, doch wird sich deshalb daran etwas ändern? Höchstwahrscheinlich nicht.
Als Bürger dieses Staates frage ich mich, was ich machen kann, wenn widersinnige Dinge geschehen. Unser aller Eigentum wird verschleudert– die Bahn gehört noch dem Staat und damit uns allen – damit sich einige wenige bereichern können. Man riskiert Gesundheit und Leben von Menschen, damit die Gewinne eines großen Unternehmens steigen. Man sorgt mit seinem Handeln dafür, dass an sich schon unhaltbare Zustände sich weiter verschärfen. Kluge Ideen werden abgewürgt, weil sie nicht ins Konzept passen…

Manchmal möchte ich die Verantwortlichen mit einem Baseballschläger in der Hand besuchen. Sicher, ich weiß, dass das nichts ändert, doch vielleicht würde ich mich nicht mehr so machtlos fühlen. Einfach hinnehmen kann ich diese Zustände nicht. Mich mit Scarlett und Paris und wie sie alle heißen, zu beschäftigen, damit die Cleveren und Mächtigen in Ruhe ihr Ding machen können, dazu habe ich keine Lust. Ich wünschte, ich hätte eine Idee, wie vernünftige, weniger egoistische Menschen die Demokratie lenken könnten. An die „kapitalistische“ Demokratie, an eine Selbstregulierung durch die Kräfte des Marktes und die freie Entfaltung des Individuums unter diesen Bedingungen glaube ich ehrlich gesagt nicht mehr…

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Gestern erst kam was über Superreiche auf RTL. Einer davon war dieser Kamerad hier: http://www.paulmitchell.de/company/biographien/dejoria.php

War mal obdachlos und ist nun Milliardär mit eigenem Fuhrpark, eigenem Zug und Luxusvillen...
Unterstützt aber auch ein Obdachlosenprojekt...

Schön war der Sohn von Claus Hipp, den man auch hat zu Wort kommen lassen "Es stellt nicht unbeding einen Mehrwert da, wenn man das Geld, das man hat, auch noch zur Schau stellt" (sinngemäß)

...warum nicht etwas bescheidener Leben und die Sicherheiten genießen? Der Mann sollte es eigentlich wissen, wenn er mal auf der Straße gelebt hat...jeder seiner Nobelschlitten wäre im Gegenwert sicher die Versorgung mit Nahrungsmitteln eines afrikanischen Dorfes.


Naja, ich mache ja selbst auch viel zu wenig, also darf ich auch nicht kritisieren.

Grüße

Anonym hat gesagt…

Die entscheidende Frage lautet: Sollen wir in der Einsamkeit Lamas züchten oder lieber Schottische Hochlandrinder? Meine Geliebte und ich haben uns noch nicht entschieden, nur deswegen sind wir noch in D. ;-)